Tantra vs. Schamanismus in der Neuzeit – zwei Wege zu Heilung, Bewusstsein und innerer Balance
- Madeleine
- 2. Okt.
- 5 Min. Lesezeit

Tantra – rechte und linke Hand, zwei Wege derselben Quelle
Im klassischen Tantrismus wird oft zwischen dem linkshändigen Pfad (Vāmācāra) und dem rechtshändigen Pfad (Dakṣiṇācāra) unterschieden. Beide Wege haben das gleiche Ziel – spirituelle Befreiung und die Vereinigung von Bewusstsein (Shiva) und Energie (Shakti) – doch sie unterscheiden sich stark in ihren Methoden.
Dakṣiṇācāra – der rechtshändige Pfad
Wird als der „konventionellere“ Weg betrachtet.
Betont rituelle Reinheit, Meditation, Mantra-Rezitation und innere Disziplin.
Verzicht auf Tabubrüche, Alkohol oder sexuelle Rituale.
Ziel: allmähliche Läuterung und Transformation des Bewusstseins durch heilige Praxis.
Vāmācāra – der linkshändige Pfad
Der „ungewöhnliche“ oder „radikale“ Weg, oft mit Mysterium umgeben.
Bezieht bewusst Elemente ein, die im traditionellen Hinduismus tabuisiert waren: Sexualität, Fleisch, Alkohol, rituelle Körpervereinigung.
Idee: Durch das bewusste Überschreiten von Tabus soll die Dualität von Rein und Unrein überwunden werden.
Dieser Pfad gilt als gefährlich, wenn er ohne spirituelle Reife oder Lehrer gegangen wird, da er intensive Energien freisetzt.
Gemeinsame Essenz
Beide Pfade sind keine Gegensätze, sondern komplementäre Wege: Der rechte Pfad führt durch Reinheit, der linke durch bewusste Grenzerfahrung. In beiden Fällen geht es um Transformation, nicht um Lust oder Tabubruch an sich.
Schamanismus – die Brücke zur Natur und den Ahnen
Der Schamanismus gilt als eine der ältesten spirituellen Praktiken der Menschheit – mindestens 30.000 Jahre alt. Von Sibirien über Nord- und Südamerika bis nach Skandinavien gab es in fast allen Kulturen schamanische Traditionen.
Ein Schamane oder eine Schamanin war Mittler*in zwischen den Welten der Menschen und der Geister. Mit Hilfe von Ritualen, Gesängen, Trommeln, Pflanzenmedizin und Trance-Reisen wurde Heilung gesucht, Visionen empfangen und die Verbindung zur Natur gestärkt.
Grundprinzipien des Schamanismus
Alles ist beseelt – Steine, Pflanzen, Tiere und Menschen tragen Geist.
Verbindung zu den Ahnen – Wissen und Kraft der Vorfahren wirken fort.
Heilung durch Rituale – Trommeln, Schwitzhütten, Pflanzen, Tanz.
Reisen in andere Welten – Trancezustände öffnen Tore zur „nichtalltäglichen Wirklichkeit“.
Der Schamanismus ist damit ein erdverbundener, praktischer Weg, um Harmonie zwischen Mensch, Natur und Geistwelt wiederherzustellen.
Tantra & Schamanismus – was verbindet beide?
Auf den ersten Blick scheinen Tantra und Schamanismus unterschiedlich: Tantra entstammt der indischen Philosophie, Schamanismus der Naturreligionen weltweit. Doch beide Systeme teilen zentrale Gedanken:
Ganzheitlichkeit: Körper, Geist, Seele und Umwelt sind eins.
Transformation: Schmerz, Blockaden und Schatten werden nicht verdrängt, sondern verwandelt.
Ritualkraft: Sowohl im Tantra als auch im Schamanismus sind Rituale Tore zu Heilung und Bewusstsein.
Energiearbeit: Beide Systeme arbeiten mit Lebensenergie – ob Prana im Tantra oder „spirituelle Kraft“ im Schamanismus.
Verbindung mit dem Kosmos: Tantra über das Göttliche (Shiva/Shakti), Schamanismus über Naturgeister und Ahnen.
Tantra und Schamanismus in der Neuzeit
Heute erleben beide Systeme eine neue Blüte. Menschen in westlichen Gesellschaften sehnen sich nach Tiefe, Verbindung und Sinn, die weder reine Wissenschaft noch Konsum erfüllen können.
Tantra in der Neuzeit: Oft als Praxis für Körperbewusstsein, Sexualheilung oder spirituelle Energiearbeit verstanden. Es schenkt Werkzeuge für Selbstliebe, Bewusstsein und innere Freiheit.
Schamanismus in der Neuzeit: Rückkehr zur Natur, Rituale wie Schwitzhütten, Trommelreisen und Pflanzenmedizin finden wieder Raum. Er schenkt uns Verwurzelung, Ahnenerinnerung und Naturverbindung.
Wie man beide Wege verbindet
Die Kraft liegt in der Synergie. Tantra und Schamanismus müssen keine Gegensätze sein – sie ergänzen sich.
Atmung (Tantra) + Trommel (Schamanismus): Atemtechniken können mit Trommelrhythmen kombiniert werden, um tiefere Trancezustände zu erreichen.
Energiearbeit (Tantra) + Naturkraft (Schamanismus): Kundalini-Praxis kann in Verbindung mit Ritualen im Wald oder unter dem Mond eine neue Dimension öffnen.
Rituale: Zeremonien, die tantrische Mantras und schamanische Trommeln vereinen, schaffen Brücken zwischen innerer und äußerer Welt.
Heilung: Tantra hilft, blockierte Energien im Körper zu lösen; Schamanismus verbindet uns mit der Erde und den Ahnen – zusammen entsteht ein ganzheitlicher Heilungsweg.
Tantra & Schamanismus als Weg im heutigen Leben
Gerade heute, wo die Welt im Außen „verreist“ – voller Krisen, Unsicherheiten und Ablenkungen – schenken uns Tantra und Schamanismus Halt und Orientierung:
Sie erinnern uns daran, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind.
Sie lehren uns, Energie bewusst zu lenken und die Kräfte der Natur zu nutzen.
Sie geben uns Rituale, die Stabilität, Heilung und Sinn spenden.
Sie zeigen Wege, wie wir inmitten von Chaos in unsere innere Ruhe finden.
Ob durch eine tantrische Atemmeditation, eine schamanische Trommelreise oder die Verbindung beider Praktiken – wir öffnen Räume für Balance, Liebe und Transformation.
Tantra und Schamanismus sind keine Gegensätze, sondern zwei spirituelle Geschwisterwege, die sich in der Neuzeit wunderbar ergänzen. Tantra bringt uns in Kontakt mit unserer inneren Energie und dem Göttlichen, Schamanismus mit der Natur und den Ahnen. Gemeinsam helfen sie uns, die Verbindung zwischen Innen und Außen, Himmel und Erde, Mensch und Kosmos wiederherzustellen.
In einer Zeit, in der das Außen unsicher und zerrissen erscheint, sind diese beiden Wege wie Anker und Kompass zugleich – sie führen uns zurück zu uns selbst und zur Quelle des Lebens.

Tantra und Schamanismus – die ältesten Wege zu Spiritualität und Heilung
In einer Zeit, in der viele Menschen Halt und Orientierung suchen, erleben alte spirituelle Wege wie Tantra und Schamanismus eine neue Bedeutung. Beide Systeme haben sehr unterschiedliche Ursprünge, teilen jedoch eine tiefe Weisheit: Sie verbinden Körper, Geist, Seele und Natur.
Wann ist Tantra entstanden?
Der Tantrismus entwickelte sich in Indien etwa ab dem 5.–7. Jahrhundert nach Christus. Erste schriftliche Zeugnisse sind die sogenannten Tantras, die detaillierte Anleitungen für Rituale, Meditation, Atemübungen und Energiearbeit enthalten.
Tantra fand Eingang in den Hinduismus (vor allem in den Shaktismus und Shaivismus) und später auch in den Buddhismus (Vajrayana).
Das Besondere: Tantra sah den Körper nicht als Hindernis, sondern als heiliges Werkzeug. Alles – Atem, Sexualität, Emotionen, Gedanken – konnte bewusst eingesetzt werden, um spirituelle Transformation zu erreichen. Dieser Ansatz machte Tantra revolutionär und bis heute aktuell.
Wie alt ist Schamanismus?
Der Schamanismus ist deutlich älter und gilt als die älteste spirituelle Praxis der Menschheit. Anthropologische Funde belegen ihn schon in der Altsteinzeit (30.000–40.000 v. Chr.).
Höhlenmalereien, Trommeln, Masken und Grabrituale zeigen: Schon damals gab es Menschen – Schamaninnen und Schamanen –, die als Mittler zwischen den Welten wirkten. Sie kommunizierten mit Naturgeistern, begleiteten Heilungen und verbanden die Gemeinschaft mit den Kräften der Ahnen.
Schamanismus war und ist ein erdverbundener Weg, der die Heiligkeit von Natur, Tieren, Pflanzen und Elementen betont.
Tantra vs. Schamanismus – Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Unterschiede:
Tantra entstand historisch später, im kulturellen Kontext Indiens.
Schamanismus ist universell, in fast allen Kulturen der Erde nachweisbar.
Tantra nutzt Mantras, Yantras und Atemübungen, während Schamanismus Trommeln, Trance-Reisen und Rituale mit der Natur verwendet.
Gemeinsamkeiten:
Beide sehen den Menschen als Teil eines größeren Ganzen.
Beide nutzen Rituale und Energiearbeit als Werkzeuge für Heilung und Transformation.
Beide verbinden Körper, Geist und Seele und lehren, dass alles miteinander verwoben ist.
Bedeutung für die heutige Zeit
Warum sind Tantra und Schamanismus heute aktueller denn je? Weil unsere moderne Welt zwar technisiert und vernetzt ist, aber oft an Tiefe, Verbindung und Sinn verliert.
Tantra lehrt uns, die Lebensenergie bewusst zu lenken und unseren Körper als Quelle der Spiritualität zu erleben.
Schamanismus schenkt uns die Verwurzelung mit der Natur und die Rückverbindung zu den Rhythmen der Erde.
Zusammen bieten sie Wege, um in einer unsicheren Zeit innere Stabilität, Heilung und Ganzheit zu finden.
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Schamanismus: die älteste bekannte spirituelle Praxis der Menschheit, mindestens 30.000 Jahre alt.
Tantra: eine tiefgehende spirituelle Tradition aus Indien, seit dem 5.–7. Jahrhundert n. Chr.
Beide Wege laden uns ein, Körper, Geist, Natur und Kosmos neu zu entdecken.
Gerade jetzt, wo das Außen unsicher wirkt, schenken uns Tantra und Schamanismus Tiefe, Balance und eine Rückkehr zum Wesentlichen: das bewusste, verbundene Leben.
Quellen:
Gavin Flood: An Introduction to Hinduism (Cambridge University Press, 1996).
Georg Feuerstein: Tantra – The Path of Ecstasy (Shambhala Publications, 1998).
David Gordon White: Kiss of the Yogini: "Tantric Sex" in its South Asian Contexts (University of Chicago Press, 2003).